Das Wort Bin Ich

Die Klagelieder Jeremias

Volksbibel 2000 :: Allioli - Arndt Bibel

- Kapitel 2 -

Gottes Zorn über Jerusalem

1
Ach, wie umwölkte der Herr in seinem Zorn Zions Tochter! Vom Himmel zur Erde warf er Israels Pracht, am Tag seines Zornes gedachte er nicht des Schemels seiner Füße.
2
Ohne Schonung vertilgte der Herr alle Fluren Jakobs, riß nieder in seinem Grimm die Burgen der Tochter Juda; in den Staub warf er und entehrte das Reich, seine Fürsten.
3
Er zerbrach in der Glut seines Zornes Israels ganze Kraft. Seine Rechte zog er zurück vor dem Feind, in Jakob brannte er wie flammendes Feuer, das alles verzehrt.
4
Er hat feindlich gespannt seinen Bogen, seine Rechte wie ein Gegner gereckt, alles im Zelt der Tochter Zion vertilgt, was das Auge erfreut. Seinen Groll goß er aus wie Feuer.
5
Als Feind hat der Herr sich erwiesen, hat Israel vertilgt, hat vernichtet all seine Paläste, zerstört seine Burgen, bei der Tochter Juda Jammer auf Jammer gehäuft.
6
Er zertrat wie ein Beet seinen Tempel, zerstörte sein Heiligtum. Feste und Sabbat ließ der Herr in Zion vergessen. König und Priester verwarf er in seinem grimmigen Zorn.
7
Verschmäht hat der Herr seinen Altar, verabscheut sein Heiligtum. Ihrer Bauten Mauern ließ er in Feindeshand fallen. Wie am Tag eines Festes lärmten die Feinde im Haus des Herrn.
8
Beschlossen war es beim Herrn, der Tochter Zion Mauern zu vernichten. Die Meßschnur hat er gespannt, ohne seine Hand beim Zerstören zu hemmen. Er ließ trauern Wall und Mauer; in sich zusammen sanken beide.
9
Ihre Tore versanken im Boden; er brach und zerschlug ihre Riegel. Ihr König und ihre Fürsten sind bei den Heiden; es herrscht nicht mehr das Gesetz. Keine Visionen erhalten vom Herrn ihre Propheten.
10
Schweigend sitzen am Boden die Greise der Tochter Zion, Staub haben sie auf ihr Haupt gestreut, mit Sacktuch sich umgürtet. Zur Erde senken ihr Haupt Jerusalems Jungfrauen.
11
Ich weine die Augen mir wund; meine Brust will zerspringen. Ich bin alles Lebens beraubt ob des Falls der Tochter, meines Volkes, weil Kind und Säugling auf den Plätzen der Stadt verschmachten.
12
Ihren Müttern rufen sie zu: "Wo ist Brot?" Wie Todeswunde auf den Plätzen der Stadt sie verschmachten, hauchen ihr Leben aus an der Brust ihrer Mütter.
13
Was halte ich dir vor, mit wem soll ich dich vergleichen, Tochter Jerusalem? Wer könnte dich retten und trösten, Jungfrau, Tochter Zion? Denn groß wie das Meer ist dein Unheil; wer könnte dich heilen?
14
Lüge und Täuschung verkündeten dir deine Propheten, deckten nicht auf deine Schuld, dein Schicksal zu wenden. Nur Sprüche erschauten sie dir zu Trug und Verführung.
15
Alle, die des Weges ziehen, schlagen über dich die Hände zusammen. Über die Tochter Jerusalem zischen sie und schütteln das Haupt: "Ist das die Stadt, die als>Krone der Schönheit< man rühmte?"
16
Den Mund reißen über dich auf all deine Feinde. Zähneknirschend zischen sie und rufen: "Ha, wir verschlangen! Ja, dies ist der Tag unserer Hoffnung; ihn haben wir erlangt und erlebt!"
17
Vollbracht hat der Herr, was er plante, erfüllt seine Drohung, die er verkündet seit langem. Er riß ein ohne Erbarmen, ließ über dich jubeln den Feind, machte stolz deine Gegner.
18
O, schreie empor doch zum Herrn, Jungfrau, Tochter Zion! Dem Bach gleich laß rinnen deine Tränen bei Tag und bei Nacht! Nimmer gönne dir Ruhe; nie raste dein Auge!
19
Auf! Klage laut durch die Nacht, zu Anfang jeder Wache! Schütte dein Herz aus wie Wasser vor dem Antlitz des Herrn! Erhebe zu ihm deine Hände um das Leben deiner Kinder, die an den Straßenecken vor Hunger verschmachten.
20
"O Herr, sieh doch her und schau, wem du das angetan hast! Durften Frauen ihre Leibesfrucht essen, die Kinder, die sie sorgsam gehegt? Durfte man Priester und Prophet morden im Heiligtum des Herrn?
21
Auf den Straßen liegen am Boden Knabe und Greis. Meine Jungfrauen und Jünglinge fielen durchs Schwert. Du erschlugst sie am Tag deines Zornes, grausam schlachtetest du sie.
22
Die mich schrecken, hast du ringsum wie zum Festtag geladen. Am Tag des Zornes des Herrn war keiner, der entfloh und entkam. Die ich pflegte und sorgsam aufzog, vertilgte mein Feind."

Gottes Zorn über Jerusalem

1
[Aleph.] Wie hat der Herr in seinem Grimme die Tochter Sion mit Finsternis umhüllt! Vom Himmel warf er zur Erde nieder die Zier Israels und gedachte des Schemels seiner Füße nicht am Tage seines Zornes.
2
[Beth.] Ohne Schonung hat der Herr Verderben bereitet aller Anmut Jakobs; er brach in seinem Grimme die Festen der Jungfrau Juda und warf sie zu Boden, entweihte das Reih und dessen Fürsten.
3
[Ghimel.] Zerschlagen hat er in seinem grimmigen Zorne jedes Horn Israels, zurückgezogen seine Rechte vor dem Angesichte des Feindes und ein Feuer in Jakob entzündet, dessen Flamme ringsum frißt.
4
[Daleth.] Er spannte seinen Bogen wie ein Feind und machte seine Rechte stark wie ein Gegner, tötete alles, was der Augen Weide war in dem Gezelte der Tochter Sion, goss gleich Feuer seinen Grimm aus.
5
[He.] Der Herr ist dem Feinde gleich geworden, hat Israel gestürzt, gestürzt alle seine Mauern, zerstört seine Burgen und die Tochter Juda, Mann und Weib, mit Erniedrigung erfüllt.
6
[Vau.] Und wie einen Garten hat er sein Gezelt wüste gemacht, seine Wohnung verheert, der Vergessenheit hat der Herr in Sion Fest und Sabbat anheimgegeben, der Schmach und seinem grimmigen Zorne hat er König und Priester preisgegeben.
7
[Zain.] Verworfen hat der Herr seinen Altar, verflucht sein Heiligtum, in Feindes Hand die Mauern seiner Türme überliefert; lautes Geschrei erscholl im Hause des Herrn, als wäre es ein Festtag.
8
[Heth.] Der Herr hat beschlossen, die Mauer der Tochter Sion zu zerstören; er spannte seine Meßschnur und zog seine Hand nicht ab vom Vertilgen, in Trauer ist das Vorwerk versetzt und die Mauer ist zumal eingestürzt.
9
[Teth.] In den Boden gesunken sind ihre Tore, verdorben und zerbrochen hat er ihre Riegel, ihr König und ihre Fürsten sind unter den Völkern, nicht ist das Gesetz mehr da und ihre Propheten erlangen kein Gesicht mehr von dem Herrn.
10
[Jod.] Es sitzen am Boden schweigend die Ältesten der Tochter Sion, sie haben Asche auf ihre Häupter gestreut, sich mit Trauergewändern umgürtet, zur Erde senken ihr Haupt die Jungfrauen Jerusalems.
11
[Kaph.] Dahin schwinden meine Augen vor Tränen, mein Inneres ist erschüttert, meine Leber ergießt sich auf die Erde über die Vernichtung der Tochter meines Volkes, da Kind und Säugling verschmachtet in den Straßen der Stadt.
12
[Lamed.] Zu ihren Müttern sprachen sie: Wo ist Brot und Wein? Da sie verschmachteten, tödlich Verwundeten gleich, in den Straßen der Stadt, ihr Leben aushauchend in ihrer Mütter Schoß.
13
[Mem.] Womit soll ich dich vergleichen? Oder was soll ich dir ähnlich finden, Tochter Jerusalem? Was soll ich dir gleichstellen, dass ich dich tröste, Jungfrau, Tochter Sion? Denn groß wie das Meer ist dein Elend, wer kann dich heilen?
14
[Nun.] Deine Propheten erschauten dir Trug und Torheit und deckten deine Verschuldung nicht auf, um dich zur Buße zu bewegen, sondern erschauten dir Sprüche des Truges und der Verstoßung.
15
[Samech.] Es schlagen über dir die Hände zusammen alle, die des Weges vorüberziehen, sie zischen und schütteln ihr Haupt über die Tochter Jerusalem: Ist das die Stadt, sprechen sie, der Schönheit Vollkommenheit, die Wonne der ganzen Erde?
16
[Phe.] Es reißen über dich ihren Mund auf alle deine Feinde, sie zischen und knirschen mit den Zähnen und sprechen: Lasset uns verschlingen! sehet, dies ist der Tag, auf den wir gewartet, wir haben ihn erlebt, wir haben ihn geschaut.
17
[Ain.] So hat der Herr ausgeführt, was er beschlossen, er hat sein Wort erfüllt, das er von den Tagen der Vorzeit her entboten; er hat zerstört ohne Schonung, hat den Feind über dich frohlocken lassen und das Horn deiner Bedränger erhöht.
18
[Sade.] Ihr Herz ruft zum Herrn ob der Mauern der Tochter Sion: Lass einem Strome gleich Tränen fließen Tag und Nacht, gönne dir nicht Ruhe und dein Augapfel raste nicht!
19
[Koph.] Auf, rufe laut durch die Nacht beim Anfange der Nachtwachen, schütte wie Wasser dein Herz vor dem Antlitze des Herrn aus, hebe zu ihm deine Hände empor für das Leben deiner Kindlein, die vor Hunger verschmachten an den Ecken der Straßen!
20
[Resch.] Siehe, o Herr! und schaue, an wem du also Weinlese gehalten! Sollen denn die Weiber ihre Leibesfrucht essen, Kindlein eine Spanne lang? Soll im Heiligtume des Herrn gemordet werden Priester und Prophet?
21
[Sin.] Es liegen zu Boden in den Straßen Knabe und Greis, meine Jungfrauen und meine Jünglinge sind durch das Schwert gefallen, du hast gewürgt am Tage deines Grimmes, hast erschlagen ohne Erbarmen!
22
[Thau.] Du beriefst, wie zu einem Festtage, die, welche mich schrecken sollten ringsum und niemand war am Tage des Grimmes des Herrn, der entrann und übrigblieb; die ich gepflegt und großgezogen, mein Feind hat sie vernichtet.