Das Wort Bin Ich

Der Prophet Jeremia

Allioli - Arndt Bibel von 1914

- Kapitel 9 -

1
Wer gibt meinem Haupte Wasser und meinen Augen eine Tränenquelle? so wollte ich Tag und Nacht die Erschlagenen der Tochter meines Volkes beweinen!
2
O hätte ich in der Wüste eine Herberge, wie die der Wanderer, so wollte ich mein Volk verlassen und von ihnen hinweggehen! Denn alle sind Ehebrecher, eine Rotte von Treulosen.
3
Sie spannen ihre Zunge wie einen Bogen, um Lüge und nicht Wahrheit zu entsenden; sie haben Macht erlangt im Lande, denn sie schreiten von einer Bosheit zur anderen, mich aber achten sie nicht, spricht der Herr.
4
Ein jeder hüte sich vor seinem Nächsten und traue keinem seiner Brüder, denn jeder Bruder übt Hinterlist und jeder Freund geht mit Betrug um.
5
Ein jeder spottet seines Nächsten und Wahrheit reden sie nicht, Lüge reden lehren sie ihre Zunge und mühen sich ab, Unrecht zu begehen.
6
Du weilst mitten unter Trug; aus Arglist wollen sie mich nicht kennen, spricht der Herr.
7
Darum spricht der Herr der Heerscharen also: Siehe, ich will sie schmelzen und prüfen, denn was soll ich anderes tun an der Tochter meines Volkes?
8
Verwundende Pfeile sind ihre Zungen, die Trug reden; mit ihrem Munde reden sie friedlich zu ihrem Nächsten, im geheimen aber stellen sie ihm nach.
9
Sollte ich solches nicht ahnden, spricht der Herr, und sollte meine Seele an einem solchen Volke nicht Rache nehmen?
10
Über die Berge will ich Weinen und Wehklage erheben und über die Auen der Wüste Klagelieder anstimmen, denn sie sind vom Feuer verzehrt; Niemand wandelt mehr über sie dahin und das Blöken der Herde hört man nicht; alles ist weggezogen und fortgegangen, von den Vögeln des Himmels bis zum Vieh.
11
Und ich werde Jerusalem zu einem Schutthaufen und zur Wohnung der Drachen machen und werde die Städte Judas in eine Wüste verwandeln, in der niemand wohnt.
12
Wer ist der weise Mann, der dies einsieht und zu dem das Wort aus dem Munde des Herrn gelangen soll, dass er es verkünde, warum das Land zugrunde gegangen und ausgebrannt ist, wie die Wüste, so dass niemand es durchzieht?
13
Und der Herr sprach: Weil sie mein Gesetz, das ich ihnen gegeben, verlassen und nicht auf meine Stimme gehört haben und nicht darnach gewandelt sind,
14
sondern ihres Herzens Bosheit und den Baalen nachgewandelt sind, wie sie es von ihren Vätern gelernt haben,
15
darum spricht der Herr der Heerscharen, der Gott Israels, also: Siehe, ich werde dies Volk mit Wermut speisen und ihnen Gallentrank zu trinken geben.
16
Und ich werde sie unter Völker zerstreuen, welche sie und ihre Väter nicht gekannt haben, und werde das Schwert hinter ihnen hersenden, bis sie vertilgt sind.

Das Volk trauert im Gericht

17
So spricht der Herr der Heerscharen, der Gott Israels: Merket auf und berufet die Klageweiber, dass sie herbeikommen, und sendet nach den weisen Frauen, dass sie hereilen;
18
dass sie eilends kommen und über uns Wehklagen anstimmen; dass unsere Augen Tränen vergießen und unsere Wimpern von Wasser fließen.
19
Denn lautes Wehklagen lässt sich von Sion her vernehmen: Wie sind wir verwüstet und gar sehr mit Schmach bedeckt, denn wir haben das Land verlassen müssen und unsere Wohnungen sind niedergeworfen!
20
Höret also, ihr Frauen! das Wort des Herrn und euer Ohr vernehme das Wort seines Mundes, lehret eure Töchter Klagelieder und eine lehre die andere Trauergesang!
21
Denn der Tod ist durch unsere Fenster emporgestiegen, in unsere Häuser eingedrungen, die Kinder von der Straße wegzuraffen, die Jünglinge von den Plätzen.
22
Sage: So spricht der Herr: Leichen der Menschen werden wie der Dünger auf dem Felde liegen und wie Gras hinter dem, der es mäht, ohne dass jemand es aufsammelt.
23
Also spricht der Herr: Der Weise rühme sich nicht seiner Weisheit und der Starke rühme sich nicht seiner Stärke und der Reiche rühme sich nicht seines Reichtums;
24
sondern dessen rühme sich, wer sich rühmt, dass er Einsicht hat und mich kennt, dass ich der Herr bin, der Erbarmen, Recht und Gerechtigkeit auf Erden übt; denn daran habe ich Wohlgefallen, spricht der Herr.
25
Siehe, es kommen Tage, spricht der Herr, wo ich alle heimsuchen werde, deren Vorhaut beschnitten ist,
26
Ägypten, Juda, Edom, die Kinder Ammons, Moab und alle, deren Haar gestutzt ist, die Bewohner der Wüste; denn alle Völker haben die Vorhaut, das ganze Haus Israel aber ist unbeschnittenen Herzens.