Das Wort Bin Ich

Die Klagelieder Jeremias

Elberfelder Bibel von 1932

- Kapitel 4 -

Die Erniedrigung Zions

1
Wie(a) ward verdunkelt das Gold, verändert das gute, feine Gold! wie wurden verschüttet(b) die Steine des Heiligtums an allen Straßenecken!
2
Die Kinder Zions, die kostbaren, die mit gediegenem Golde aufgewogenen, wie sind sie irdenen Krügen gleichgeachtet, dem Werke von Töpferhänden!
3
Selbst Schakale reichen die Brust, säugen ihre Jungen; die Tochter meines Volkes ist grausam geworden wie die Strauße in der Wüste.
4
Die Zunge des Säuglings klebt vor Durst an seinem Gaumen; die Kinder fordern Brot, niemand bricht es ihnen.
5
Die von Leckerbissen aßen, verschmachten auf den Straßen; die auf Karmesin getragen wurden, liegen auf(c) Misthaufen.
6
Und die Schuld der Tochter meines Volkes ist größer geworden als die Sünde Sodoms, welches plötzlich umgekehrt wurde, ohne daß Hände dabei tätig waren.
7
Ihre Fürsten(d) waren reiner als Schnee, weißer als Milch; röter waren sie am Leibe als Korallen, wie Saphir ihre Gestalt.
8
Dunkler als Schwärze ist ihr Aussehen, man erkennt sie nicht auf den Straßen; ihre Haut klebt an ihrem Gebein, ist dürr geworden wie Holz.
9
Die vom Schwert Erschlagenen sind glücklicher als die vom Hunger Getöteten(e), welche hinschmachten, durchbohrt vom Mangel an Früchten des Feldes.
10
Die Hände barmherziger Weiber haben ihre Kinder gekocht; sie wurden ihnen zur Speise bei der Zertrümmerung der Tochter meines Volkes.
11
Jehova hat seinen Grimm vollendet, seine Zornglut ausgegossen; und er hat in Zion ein Feuer angezündet, das seine Grundfesten verzehrt hat.
12
Die Könige der Erde hätten es nicht geglaubt, noch alle Bewohner des Erdkreises, daß Bedränger und Feind in die Tore Jerusalems kommen würden.
13
Es ist wegen der Sünden seiner Propheten, der Missetaten seiner Priester, welche in seiner Mitte das Blut der Gerechten vergossen haben.
14
Sie irrten blind auf den Straßen umher; sie waren mit Blut befleckt, so daß man ihre Kleider nicht anrühren mochte.
15
„Weichet! unrein!“ rief man ihnen zu; „weichet, weichet, rühret nicht an!“ Wenn sie flüchteten so irrten sie umher(f); man sagte unter den Nationen: Sie sollen nicht länger bei uns weilen!
16
Jehovas Angesicht hat sie zerstreut, er schaut sie nicht mehr an. Auf die Priester hat man keine Rücksicht genommen, an Greisen nicht Gnade geübt.
17
Noch schmachten unsere Augen nach unserer nichtigen Hilfe; in unserem Warten warten wir auf ein(g) Volk, das nicht retten wird.
18
Sie stellen unseren Schritten nach, daß wir auf unseren Straßen nicht gehen können. Unser Ende ist nahe, voll sind unsere Tage; ja, unser Ende ist gekommen.
19
Unsere Verfolger waren schneller als die Adler des Himmels; sie jagten uns nach auf den Bergen, in der Wüste lauerten sie auf uns.
20
Unser Lebensodem(h), der Gesalbte Jehovas, wurde in ihren Gruben gefangen, von welchem wir sagten: In seinem Schatten werden wir leben unter den Nationen.
21
Sei fröhlich und freue dich, Tochter Edom, Bewohnerin des Landes Uz(i)! Auch an dich wird der Becher kommen; du wirst trunken werden und dich entblößen.
22
Zu Ende ist deine Schuld, Tochter Zion! er wird dich nicht mehr wegführen. Er wird deine Missetat heimsuchen, Tochter Edom, er wird deine Sünden aufdecken.

Fußnoten

(a)4:1 Im vierten Liede folgen die einzelnen, zweizeiligen Strophen, wie pm 1. und 2., der alphabetischen Ordnung
(b)4:1 Eig. Wie wird verdunkelt ... wie werden verschüttet
(c)4:5 Eig. umarmen; wie Hiob 24,8
(d)4:7 O. Nasiräer
(e)4:9 Eig. Erschlagenen
(f)4:15 Vergl. 5. Mose 28,65
(g)4:17 Eig. in unserem Ausschauen schauen wir aus nach einem
(h)4:20 W. Der Hauch unserer Nasen
(i)4:21 S. die Anm. zu Hiob 1,1